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Fiskalische und gesundheitspolitische Maßnahmen bleiben notwendig, damit die Hoffnung auf wirtschaftliche Erholung Realität wird

 

Paris/Berlin, 1. Dezember 2020 - Die Aussicht auf mehrere allgemein verfügbare COVID-19-Impfstoffe im kommenden Jahr lässt auf eine schnelle wirtschaftliche Erholung hoffen. Dennoch müssen die Regierungen gesundheitspolitische Maßnahmen und fiskalische Impulse beibehalten und weiter entschlossen handeln, um den Aufschwung zu stützen. So der aktuelle OECD-Wirtschaftsausblick, der heutes in Paris veröffentlicht wurde.

 

Im ihrem Wirtschaftsausblick vom Juni hatte die OECD gewarnt, dass die anfängliche Erholung durch eine zweite Infektionswelle am Jahresende ins Straucheln geraten könnte. Vor allem Europa und Nordamerika leiden aktuell unter der wiederaufflammenden Pandemie, die den Konjunkturaufschwung gestoppt hat. Das globale BIP dürfte im vierten Quartal 2020 um 3 Prozent niedriger ausfallen als im vierten Quartal des Vorjahres. Im Euroraum dürfte die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal um 7,3 Prozent unter dem Vorjahresquartal liegen, in den Vereinigten Staaten um 3,2 Prozent.

 

Die Wirtschaftstätigkeit wird nach Einschätzung der OECD eingeschränkt bleiben, da Abstandsregeln und Reisebeschränkungen in der ersten Jahreshälfte 2021 voraussichtlich weiter gelten werden. Die Weltwirtschaft dürfte sich nur allmählich beleben, wenn im Jahresverlauf 2021 weite Teile der Bevölkerung im OECD-Raum geimpft werden. Nach einem drastischen Einbruch um 4,2 Prozent in diesem Jahr wird das globale BIP den Projektionen zufolge 2021 um 4,2 Prozent wachsen. Dieses Wachstum dürfte zu mehr als einem Drittel auf China entfallen.

 

Die Erholung wird in den einzelnen Ländern und Sektoren unterschiedlich verlaufen und könnte dauerhafte Veränderungen in der Weltwirtschaft mit sich bringen. Länder, die über effektive Test-, Kontaktnachverfolgungs- und Isolierungsstrategien verfügen und in denen wirksame Impfprogramme rasch umgesetzt werden können, dürften vergleichsweise gut abschneiden. Es herrscht aber nach wie vor erhebliche Unsicherheit.

 

Der Wirtschaftsausblick geht auch auf mögliche Aufwärts- und Abwärtsrisiken für die Projektionen ein. Wenn Impfstoffe schneller und auf breiterer Basis verfügbar sind, könnten der Nachfragestau aufgelöst und umfangreiche Ersparnisse freigesetzt werden. Dies könnte die Erholung verstärken und das Weltwirtschaftswachstum 2021 auf rd. 5 Prozent steigern. Wenn aber bei den Impfstoffen Verteilungsprobleme oder Nebenwirkungen auftreten und wenn die Lehren aus der ersten Pandemiewelle nicht umgesetzt werden, könnte das Vertrauen beschädigt werden. In diesem Fall würde das Wachstum der Weltwirtschaft 2021 um 2¾ Prozentpunkte niedriger ausfallen.

 

OECD-Generalsekretär Angel Gurría, der heute zusammen mit OECD-Chefvolkswirtin Laurence Boone den Wirtschaftsausblick vorstellte, sagte: „Es gibt Grund zur Hoffnung, aber diese Hoffnung muss in Realität verwandelt werden. Die Pandemie ist ein globales Problem. Mehr als je zuvor brauchen wir deshalb internationale Zusammenarbeit, um unsere Probleme zu lösen.

 

Für einen nachhaltigeren Wiederaufbau sind Führungsstärke und Tatkraft erforderlich, die auf der Hoffnung auf einen Impfstoff aufbauen und die multilateralen Verhandlungen zu Welthandel, Klimaschutz und digitalen Standards wiederaufnehmen. Damit können wir den Weg für ein nachhaltiges Wachstum und eine Gesellschaft bereiten, die Chancen für alle bietet.“

 

Laurence Boone äußerte sich wie folgt: „Durch die Aussichten auf eine Impfung und einen erfolgreicheren Umgang mit dem Virus besteht wieder Hoffnung für die Weltwirtschaft. Die Lage ist aber immer noch äußerst bedenklich, vor allem für Geringqualifizierte und für schwer betroffene Kleinunternehmen.“

 

„Die Regierungen wurden in ihren Maßnahmen zum Schutz der Menschen und Unternehmen bestätigt. Da die Zinsen weiter extrem niedrig bleiben dürften, können und müssen die Regierungen die Unterstützung beibehalten, um bleibende Schäden durch die Krise zu verhindern. Die wirtschaftlichen Folgen werden noch jahrelang zu spüren sein. Die Regierungen müssen alles daransetzen, die Auswirkungen auf besonders gefährdete Gruppen, insbesondere Kinder und junge Menschen, abzumildern.“

 

Der Ausblick zeigt, dass die Krise die gesellschaftliche Spaltung verschärft hat, weil die schwächsten Gruppen am stärksten betroffen sind. Die hohe Arbeitslosigkeit kann noch Jahre andauern, insbesondere unter geringqualifizierten und jungen Menschen. Viele Kinder, insbesondere Kinder aus benachteiligten Verhältnissen, wurden während der Lockdowns in ihrem Lernprozess weit zurückgeworfen, was ihre Zukunftschancen verschlechtert.

 

Millionen kleiner und mittlerer Unternehmen – auf die die meisten Arbeitsplätze entfallen – sehen ihre Existenz durch steigende Schulden und die andauernde Unsicherheit bedroht. Der Ausblick weist darauf hin, dass der Gewinnrückgang die Schuldendienstfähigkeit und die Investitionen der Unternehmen beeinträchtigen wird. Junge, kleine sowie weniger produktive Unternehmen dürften besonders stark betroffen sein. Das Gleiche gilt für das Beherbergungs- und Gastgewerbe, den Verkehrssektor sowie die Kultur- und Freizeitbranche, die besonders hart von den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie getroffen sind.

 

Ohne die massiven staatlichen Finanzhilfen, die den Schock für die Menschen und Unternehmen abfedern, wäre der wirtschaftliche Schaden noch größer. Da das sehr niedrige Zinsniveau voraussichtlich noch länger andauern wird, können und sollten die außergewöhnlichen Ausgaben fortgesetzt werden, bis die Erholung an Dynamik gewinnt, so die OECD. Die Politikmaßnahmen sollten gezielter dort ansetzen, wo sie am dringendsten nötig sind und die Erholung stärken.

 

Der Schwerpunkt der Ausgaben sollte allmählich auf Investitionen in Gesundheit, Bildung, Infrastruktur und die Förderung einer grüneren und stärker digitalisierten Wirtschaft verlagert werden, so die OECD weiter.

 

Der Ausblick fordert die politisch Verantwortlichen auf, in mehreren Bereichen entschlossen zu handeln:

 

  • Das öffentliche Gesundheitswesen stärken – durch Investitionen in Personal, Präventionsstrategien und Kapazitäten. Effektive Test-, Kontaktnachverfolgungs- und Isolierungsstrategien umsetzen. Sofort mit der Planung von Impfkampagnen beginnen. Durch internationale Zusammenarbeit sicherstellen, dass erschwingliche Impfstoffe und Medikamente überall zur Verfügung stehen, wo sie gebraucht werden.
  • Gefährdete Gruppen unterstützen – durch eine Ausweitung der sozialen Sicherungsnetze und bessere Qualifizierung junger und geringqualifizierter Arbeitskräfte. Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen auf das digitale Zeitalter vorbereiten, um ihre Chancengleichheit zu sichern.
  • Unternehmen unterstützen – durch Zuschüsse und Eigenkapital, anstatt ihre Verschuldung durch Kredite weiter zu erhöhen. Unternehmen helfen, in ihre Zukunft zu investieren, z. B. durch die Förderung der Digitalisierung.

 

Der Ausblick warnt, dass die Unternehmensschulden ein Niveau erreichen, das zuletzt vor zehn Jahren während der weltweiten Finanzkrise zu beobachten war. Das damit verbundene Risiko steigender Insolvenzen und rückläufiger Unternehmensinvestitionen bedroht die wirtschaftliche Erholung insgesamt.

 

Den gesamten Bericht und weitere Informationen finden Sie unter

www.oecd.org/wirtschaftsausblick/dezember-2020

 

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