Share

Viel ungenutzter Spielraum für einen echten grünen Wiederaufbau nach der Krise

 

(Berlin/Paris, 14. September 2020) - Viele Länder räumen in ihren Konjunkturpaketen „grünen“ Wiederaufbaumaßnahmen einen zentralen Stellenwert ein. Damit soll nach der COVID-19-Krise ein nachhaltiges, inklusives und robustes Wirtschaftswachstum gefördert und eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden. Einige Länder ergreifen jedoch auch Maßnahmen, die negative Umwelt­auswirkungen nach sich ziehen und zur Verfestigung eines nicht nachhaltigen Wachstums führen könnten, wie eine neue Analyse der OECD verdeutlicht, die heute von Ministern der Mitgliedsländer diskutiert wurde.

 

Der neuen OECD-Analyse Making the Green Recovery Work for Jobs, Income and Growth zufolge haben die Regierungen der OECD-Mitgliedsländer öffentliche Mittel in Höhe von 312 Mrd. USD für einen grünen Wiederaufbau der Wirtschaft bereitgestellt. Dies ist das Ergebnis einer vorläufigen Schätzung, die in den kommenden Monaten präzisiert werden soll. In einigen Fällen sehen die umfassenden Konjunkturpakte jedoch auch umweltschädliche Ausgaben, wie Investitionen in fossile Energien, vor.

 

„Es ist ermutigend zu sehen, wie viele Länder diese einmalige Chance für einen wirklich nachhaltigen Wiederaufbau nutzen. Die Länder sollten aber wesentlich weiter gehen und noch grünere Konjunkturpakete schnüren“, so OECD-Generalsekretär Angel Gurría im Rahmen der Gesprächsrunde auf Ministerebene. „Mit dem Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt kommen die nächsten unmittelbar bevorstehenden Krisen auf uns zu und es bleibt uns kaum noch Zeit gegenzusteuern. Maßnahmen für einen grünen Wiederaufbau sind daher eine „Win-win“-Option, da sie bessere Umweltergebnisse ermöglichen, die Konjunktur ankurbeln und die Lebensqualität der Menschen verbessern.“

 

Die Analyse zeigt, dass die Mehrheit der OECD-Länder und anderer großer Volkswirtschaften Maßnahmen zur Förderung einer grüneren Wirtschaft in ihre Wiederaufbaustrategien integriert hat. Dazu zählen Zuschüsse, Kredite und Steuervergünstigungen für nachhaltigen Verkehr, nachhaltige Mobilität, die Kreislaufwirtschaft und Forschungsarbeiten zu sauberen Energien, Finanzhilfen für private Haushalte für mehr Energieeffizienz und Erneuerbare-Energie-Anlagen sowie Maßnahmen zur Förderung der Wiederherstellung von Ökosystemen.

 

Gleichzeitig haben einige Länder aber auch Maßnahmen angekündigt, die direkte oder indirekte negative Auswirkungen auf die Umweltergebnisse haben dürften. Bei einigen davon handelt es sich um zeitlich befristete wirtschaftliche Nothilfemaßnahmen, andere wiederum drohen längerfristige Folgen nach sich zu ziehen. Dies gilt u. a. für Pläne zur Lockerung von Umweltauflagen, Senkungen bzw. den Erlass umweltbezogener Steuern und Abgaben, Rettungsmaßnahmen für emissionsintensive Branchen oder Unternehmen, die nicht an Auflagen geknüpft sind, sowie höhere Subventionen für Infrastrukturinvestitionen im Bereich fossile Energien.

 

„Angesichts unserer Bemühungen, die Wirtschaft wieder aufzubauen und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Schocks zu erhöhen, ist es wichtiger denn je, globale Probleme wie Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt, die Zerstörung der Ozeane und ineffiziente Ressourcennutzung in Angriff zu nehmen“, so die stellvertretende spanische Ministerpräsidentin und Ministerin für ökologischen Wandel und demografische Herausforderungen Teresa Ribera, die die Gesprächsrunde leitete. „Gut durchdachte und umgesetzte Konjunkturpakete können einen grünen Wiederaufbau fördern, der allen zugutekommt, Einkommen, Wohlstand und Beschäftigung erhöhen und die Umsetzung nationaler und globaler Umweltziele beschleunigen.“

 

An dieser Gesprächsrunde nahmen die Minister für Umwelt, Klima und ökologischen Wandel der OECD-Länder und Costa Ricas sowie der geschäftsführende Vizepräsident der Euro­päischen Kommission teil. Sie ist Teil der Vorbereitungen für die OECD-Ministerratstagung, die am 28. und 29. Oktober unter dem Vorsitz Spaniens und dem stellvertretenden Vorsitz Chiles, Japans und Neuseelands stattfinden wird. Die Gesprächsrunde kam kurz vor der Veröffentlichung der für den 16. September angekündigten Zwischenausgabe des OECD-Wirtschaftsausblicks zusammen.

 

Die OECD-Analyse legt dar, dass eine Phase mit niedrigen Ölpreisen Gelegenheit bietet, die Einführung von CO2-Preisen und den Abbau von Subventionen für fossile Energieträger voranzutreiben. Durch eine Besteuerung von umweltschädlichem Konsum und umwelt­schädlicher Produktion können die Umweltschäden eingedämmt und die wirtschaftliche Effizienz erhöht werden. Wichtig ist, dass Energiesteuerreformen nicht zu einem Anstieg der „Energiearmut“ führen, denn ein guter Zugang zu Energiedienstleistungen ist Grundvoraus­setzung für einen hohen Lebensstandard. Dabei sollten auch die Verteilungseffekte anderer Preisgestaltungsinstrumente wie Steuern oder Abgaben für Fahrzeuge und Kraftstoff­verbrauch berücksichtigt werden. Eine Reform der Subventionen für fossile Energieträger, die sich OECD- und IEA-Daten zufolge 2019 auf 582 Mrd. USD beliefen, sollten durch Übergangshilfen für Branchen, Kommunen, Regionen und benachteiligte Verbraucher flankiert werden.

 

Die OECD-Analyse macht deutlich, dass die Auswirkungen der Wiederaufbaumaßnahmen auf die Umweltergebnisse überwacht und evaluiert werden müssen, was nach der Finanzkrise von 2008 nicht geschah. Dazu werden 13 Umweltindikatoren vorgestellt, mit denen die Aus­wirkungen der Konjunkturmaßnahmen gemessen werden können, darunter CO2-Intensität, Subventionierung fossiler Brennstoffe, Luftverschmutzung, Wasserstress und umwelt­bezogenes Steueraufkommen.

 

Related Documents