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The Long Game – Fiskalberechnungen bis 2060 OECD-Studie unterstreicht die Notwendigkeit von Strukturreformen

 

(Paris/Berlin, 19. Oktober 2021) Die Corona-Krise hinterlässt deutliche Spuren in den öffentlichen Haushalten der OECD-Länder. Zudem werden diese von langfristigen Trends wie dem demographischen Wandel überschattet. Strukturreformen sind nötig, um diese Entwicklung abzufedern. Zu diesem Schluss kommt das neue OECD-Papier The Long Game – Fiscal outlooks to 2060 underline need for structural reform, das heute vorgestellt wurde.

 

So wird der Bruttoschuldenstand innerhalb der OECD-Länder 2022 voraussichtlich 20 bis 25 Prozentpunkte des BIPs über dem prognostizierten Niveau ohne die Belastungen der Corona-Krise liegen. Langfristig verblassen allerdings die direkten fiskalischen Auswirkungen der Pandemie im Vergleich zu den zusätzlichen fiskalpolitischen Belastungen, die sich aus säkularen Trends wie der Bevölkerungsalterung und dem Anstieg der relativen Preise für Dienstleistungen ergeben. 

 

In der Studie werden diese fiskalischen Belastungen anhand von Modellrechnungen unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung bewertet. Dabei geht es nicht um genaue Prognosen, sondern eher um eine grobe Einschätzung der Größenordnungen, um die bevorstehende fiskalpolitischen Herausforderung abzuschätzen.

 

In einem Business-as-usual-Szenario, bei dem nicht von größeren Reformen der staatlichen Programme ausgegangen wird, zeigt sich folgende Entwicklung:

 

  • Die öffentlichen Ausgaben für Gesundheit und Langzeitpflege werden dem Bericht zufolge im Medianland, das in der Mitte der untersuchten Gruppe liegt, zwischen 2021 und 2060 um 2,2 Prozentpunkte des BIP ansteigen. Diese Schätzung basiert auf dem Ausgangswert der Ausgaben für Gesundheit und Langzeitpflege vor der Pandemie. Die dauerhafte Erhöhung der Gesundheitsausgaben als Reaktion auf COVID-19 (z. B. durch den Ausbau der Kapazitäten in den Intensivstationen oder der Anhebung der Löhne und Gehälter für die Beschäftigten in öffentlichen Pflegeheimen) sind dementsprechend nicht einbezogen.
  • Die öffentlichen Rentenausgaben werden den Berechnungen zufolge im Medianland zwischen 2021 und 2060 um 2,8 Prozentpunkte des BIP steigen. Die Unterschiede zwischen den Ländern sind allerdings viel größer als bei den Projektionen der Gesundheitsausgaben. Länder, die eine Anhebung des regulären Renteneintrittsalters gesetzlich verankert haben, und insbesondere solche, die künftige Erhöhungen an die steigende Lebenserwartung gekoppelt haben - wie Estland, die Niederlande oder Portugal -, weisen tendenziell einen geringeren Anstieg der öffentlichen Rentenausgaben auf, während Länder mit besonders ungünstigen demografischen Verhältnissen wie Japan, Korea und Polen tendenziell mit einem höheren Ausgabenanstieg rechnen müssen.
  • Die sonstigen Primärausgaben werden im Medianland zwischen 2021 und 2060 voraussichtlich um 1,5 Prozentpunkte des BIP steigen. In dieser Zahl sind wichtige Kostenfaktoren wie die Anpassung an den Klimawandel nicht enthalten.
  • Im Gegensatz zur fiskalischen Belastung, die sich aus den oben erörterten säkularen Trends ergibt, trägt die zusätzliche Schuldentilgung durch den Anstieg der öffentlichen Verschuldung aufgrund der COVID-19-Pandemie – hier angenähert durch den Anstieg der Bruttostaatsverschuldung zwischen 2019 und 2022 – nur etwa 0,5 Prozentpunkt des BIP zum langfristigen fiskalischen Druck im Medianland bei. Die fiskalischen Nottransfers während der COVID-Periode tragen wenig zur langfristigen fiskalischen Belastung bei, da sie nur vorübergehend sind. Eine permanente Komponente sind die Zinszahlungen für die damit verbundenen zusätzlichen Schulden, sofern diese dauerhaft verlängert werden. Dies wird hier unterstellt, da angenommen wird, dass die öffentliche Schuldenquote auf dem Niveau von 2022 stabilisiert wird.

 

Nahezu alle OECD-Länder müssten in diesem Szenario eine Haushaltskonsolidierung vornehmen, wobei davon ausgegangen wird, dass die Politik versuchen wird, die öffentlichen Schuldenquoten auf dem für 2022 projizierten Niveau zu stabilisieren, indem sie die strukturellen Primäreinnahmen ab 2023 anpasst. Das Medianland müsste die strukturellen Primäreinnahmen zwischen 2021 und 2060 um fast acht Prozentpunkte des BIP erhöhen, während die Anstrengungen in elf Ländern zehn Prozentpunkte übersteigen würden. Diese Ergebnisse bedeuten nicht, dass die Steuern in Zukunft steigen werden oder sogar sollten. Der Indikator für den fiskalischen Druck ist lediglich eine Kennzahl, die dazu dient, die fiskalische Herausforderung, vor der die OECD-Regierungen stehen, zu quantifizieren und zu veranschaulichen. Steuererhöhungen sind nur einer von vielen möglichen Wegen, um dieser Herausforderung zu begegnen.

 

Wenn die Finanzierungsbedingungen, wie im Basisszenario angenommen, günstig bleiben, könnten Länder mit einer relativ niedrigen Ausgangsverschuldung einen Teil der projizierten Ausgabensteigerungen mit Schulden finanzieren. Eine höhere Staatsverschuldung birgt jedoch Risiken. Aus diesem Grund ist die Abfederung des künftigen fiskalischen Drucks durch zusätzliche Kreditaufnahme eine Strategie, die die Notwendigkeit politischer Reformen aufschieben, aber wahrscheinlich nicht vermeiden könnte.

 

Eine weitere Vorgehensweise liegt in der Reform des Gesundheits- und Rentensystems, um deren Effizienz zu erhöhen und zu verhindern, dass die Ausgaben auf das prognostizierte Niveau ansteigen. Strukturreformen, die die Beschäftigungsquoten erhöhen, könnten erhebliche fiskalische Vorteile mit sich bringen. Vor dem Hintergrund des verlangsamten globalen Bevölkerungswachstums und des Bevölkerungsrückgangs in vielen Ländern erscheinen Arbeitsmarktreformen, die die Beschäftigung erhöhen und ein längeres Arbeitsleben fördern, besonders wünschenswert. Solche Reformen verringern nicht nur den fiskalischen Druck, sondern stehen auch im Einklang mit dem Ziel, Frauen und benachteiligte Gruppen zu einer Beschäftigung zu verhelfen. Wie der Bericht zeigt, könnte die Kombination aus arbeitsmarktpolitischen Reformen und einer Anhebung des durchschnittlichen effektiven Renteneintrittsalters den ursprünglich prognostizierten Anstieg der fiskalischen Belastung im OECD-Medianland bis 2060 halbieren.

 

Studie herunterladen: The Long Game – Fiscal outlooks to 2060 underline need for structural reform

 

Die OECD ist ein globales Forum, das mit über 100 Ländern zusammenarbeitet. Sie tritt ein für eine Politik, die die individuellen Freiheiten wahrt und das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen der Menschen weltweit fördert.

 

Pressekontakt:
OECD Berlin Centre

Matthias Rumpf

Berlin.Centre@oecd.org

Tel: +49 (0)30  28 88 35 50

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