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Die Aussichten für die Wirtschaft bessern sich, aber die Erholung verläuft ungleichmäßig

 

(Paris/Berlin, 31. Mai 2021) – Die Aussichten für die Weltwirtschaft haben sich aufgehellt. Jedoch bleibt die konjunkturelle Erholung voraussichtlich weiterhin ungleichmäßig und abhängig von den gesundheitspolitischen Maßnahmen und wirtschaftspolitischen Impulsen der Länder. Dies ist das Ergebnis des jüngsten OECD-Wirtschaftsausblicks.

 

In vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften wächst die Zahl der Geimpften, staatliche Konjunkturimpulse beleben die Nachfrage und den Unternehmen gelingt es immer besser, sich an die Infektionsschutzmaßnahmen anzupassen. Andernorts, insbesondere in vielen aufstrebenden Volkswirtschaften mit wenig Zugang zu Impfstoffen und geringem Spielraum für staatliche Unterstützung, dürfte die Konjunkturerholung hingegen bescheiden ausfallen.

 

Die OECD korrigiert ihre Wachstumsprognosen für die großen Volkswirtschaften der Welt gegenüber der Prognose vom Dezember 2020 nach oben. Sie rechnet nun für 2021 mit einem globalen BIP-Wachstum von 5,8 Prozent (gegenüber 4,2 Prozent in der Dezemberprognose). Hintergrund ist unter anderem der durch staatliche Konjunkturimpulse unterstützte Aufschwung in den Vereinigten Staaten. Für 2022 geht die OECD von einem Wachstum von 4,4 Prozent aus (gegenüber 3,7 Prozent in der Dezemberprognose).

 

Für Deutschland erwartet die OECD ein BIP-Wachstum von 3,3 Prozent in 2021 und von 4,4 Prozent in 2022. Für Österreich erwartet sie 3,4 Prozent in 2021 und 4,2 Prozent in 2022. Für die Schweiz geht sie von 3,2 Prozent in 2021 und 2,9 Prozent in 2022 aus. 

 

Die globale Wirtschaftstätigkeit hat inzwischen Vorkrisenniveau erreicht. Das reale globale Einkommen wird Ende 2022 aber immer noch etwa drei Billionen US-Dollar unter dem Wert liegen, den es ohne die Krise erreicht hätte.

 

Solange weite Teile der Weltbevölkerung nicht geimpft sind und neue Infektionsausbrüche drohen, wird die Konjunkturerholung uneinheitlich verlaufen und anfällig für Rückschläge bleiben. Gewisse Mobilitäts- und Aktivitätsbeschränkungen werden wohl notwendig bleiben, insbesondere für internationale Reisen. Das dürfte die Aussicht auf eine komplette Konjunkturerholung überall beeinträchtigen, auch in Ländern mit hoher Impfquote oder niedrigen Infektionsraten.

 

Die Unterschiede zwischen den Ländern beruhen insbesondere auf den jeweiligen gesundheitspolitischen Strategien, dem Impftempo, den fiskal- und geldpolitischen Impulsen und der Bedeutung, die stark betroffene Branchen wie der Tourismus für die Wirtschaftsleistung des Landes haben. Während das Einkommensniveau in Korea und den Vereinigten Staaten in etwa Vorkrisenniveau erreicht hat, wird dies in weiten Teilen Europas wohl noch ein Jahr dauern. In Mexiko und Südafrika könnte sich die Erholung sogar noch drei bis fünf Jahre hinauszögern.

 

Die Projektionen sind mit erheblicher Unsicherheit behaftet, die Risiken einer positiveren oder negativeren Entwicklung halten sich inzwischen allerdings stärker die Waage. In Ländern mit geringer Impfquote ist das Risiko neuer Corona-Ausbrüche hoch. Auch besteht die Gefahr neuer impfresistenter Mutationen. In diesem Fall bräuchte es neue Infektionsschutzmaßnahmen, die wiederum den Aufschwung verzögern würden.

 

Viele Haushalte haben in der Krise weniger Geld ausgegeben. Die Ersparnisse könnten nun mit den Öffnungen wieder in den Konsum fließen und das Wachstum eventuell stärker als erwartet ankurbeln, besonders in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften.  

 

 

Durch Freisetzung dieser angestauten Nachfrage in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften einerseits und pandemiebedingt gestörte Lieferketten andererseits könnten Inflation und Marktzinsen steigen. Das könnte anfällige Schwellen- und Entwicklungsländer unter finanziellen Druck setzen. Der Studie zufolge dürfte es sich jedoch um einen vorübergehenden Inflationsanstieg handeln, denn angesichts sich normalisierender Produktionskapazitäten und einer Zurückverlagerung des Konsums von Waren auf Dienstleistungen werden die Störungen voraussichtlich bis Ende des Jahres abklingen. Da noch immer viele Menschen ohne Beschäftigung sind, ist kaum mit einer Spirale von deutlichen Lohnsteigerungen und Preissteigerungen zu rechnen.

 

 „Dank wirksamer Impfprogramme in vielen Ländern sind die Wirtschaftsaussichten heute günstiger, als sie es jemals seit Beginn dieser verheerenden Pandemie waren. Für Millionen Menschen in aller Welt liegt die Aussicht auf eine Impfung jedoch immer noch in weiter Ferne.  Wir müssen die Herstellung der Impfstoffe dringend ausbauen und für ihre gerechte Verteilung sorgen", so OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der Vorstellung der Studie.

 

OECD-Chefvolkswirtin Laurence Boone sagte: „Unsere jüngsten Prognosen geben Hoffnung, dass die Menschen, denen die Pandemie schwer zugesetzt hat, bald an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren und wieder ein normales Leben führen können. Wir befinden uns jedoch in einem kritischen Stadium. Die Impfstoffe müssen weltweit schneller produziert, verteilt und durch wirksame gesundheitspolitische Strategien ergänzt werden.“

 

„Damit die Länder der unteren Einkommensgruppe die nötigen medizinischen und finanziellen Ressourcen bekommen, um ihre Bevölkerung zu impfen, braucht es eine engere internationale Zusammenarbeit. Freier Handel mit Gesundheitsprodukten muss ohne Beschränkungen möglich sein“, so Boone.   

 

Die finanzielle Unterstützung für Menschen und Unternehmen sollte fortgesetzt werden, so Boone, sie müsse aber entsprechend der jeweiligen Wirtschafts- und Gesundheitslage angepasst werden. Wenn die Beschränkungen gelockert werden, müsse die Unterstützung gezielter dorthin gehen, wo sie am dringendsten gebraucht wird, z. B. in Umschulungen und Arbeitsvermittlung. So könne man die Beschäftigungsaussichten vor allem geringqualifizierter und junger Arbeitskräfte verbessern. Auch sei es wichtig, die Unterstützung genauer auszurichten: auf wirtschaftlich tragfähige Unternehmen, auf Anreize für die Aufnahme von Eigenkapital anstatt von Krediten, sowie auf Arbeitsplatzschaffung und Investitionen in Digitalisierung.

 

Durch die fiskalpolitischen Unterstützungspakete während der Pandemie ist die Staatsverschuldung in den meisten Ländern in die Höhe geschnellt. Die OECD ist jedoch der Ansicht, dass das aktuell niedrige Zinsniveau den Schulddienst leichter bewältigen lässt und Möglichkeiten für Investitionen in Gesundheitsversorgung, Digitalisierung und Klimaschutz schafft.

 

Chefökonomin Laurence Boone betonte: „Die Tragfähigkeit der Verschuldung sollte erst dann wieder Priorität werden, wenn die Erholung in sicheren Bahnen verläuft. Die Regierungen sollten aber bereits jetzt mit Planungen beginnen, um das öffentliche Finanzmanagement zu überarbeiten. Dies ist keine normale Krise – und entsprechend wird es auch keine normale Erholung geben. Nach der Krise muss sich unsere Politik tiefgreifend verändern, um den aktuellen und künftigen Herausforderungen wirksamer zu begegnen.“

 

Eine deutschsprachige Zusammenfassung und visuelle Aufbereitung der wichtigsten Prognosen finden Sie unter https://www.oecd.org/wirtschaftsausblick/mai-2021/

 

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