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Öffentliche Finanzen stärken, Ungleichheit abbauen: OECD-Studie unterstreicht die Bedeutung von Erbschaft-, Nachlass- und Schenkungssteuern

 

(Berlin/Paris, 11. Mai 2021) –  Angesichts hoher Vermögensungleichheiten und pandemiebedingt stark beanspruchter öffentlicher Kassen können Erbschaftsteuern ein wichtiges Instrument sein, um der Ungleichheit entgegenzuwirken. Dies ist das Ergebnis einer neuen OECD-Studie.

 

Inheritance Taxes in OECD Countries analysiert vergleichend die Erbschaft-, Nachlass- und Schenkungssteuern der 37 OECD-Mitgliedsländer. Dabei untersucht sie, welche Rolle diese Steuern für die Einnahmengewinnung, die Beseitigung von Ungleichheiten und die Effizienzsteigerung der Steuersysteme spielen könnten.

 

Die Studie betont den hohen Grad der Vermögenskonzentration in OECD-Ländern. Auch hebt sie hervor, dass die Ungleichheit durch die ungleiche Verteilung von Vermögenstransfers weiter verstärkt wird. Im Durchschnitt betragen die von den wohlhabendsten privaten Haushalten (oberste 20 Prozent) ausgewiesenen Erbschaften und Schenkungen nahezu das 50-fache der von den ärmsten Haushalten (untere 20 Prozent) ausgewiesenen Werte.

 

Der Studie zufolge können Erbschaftsteuern die Vermögenskonzentration verringern und die Chancengleichheit verbessern, insbesondere dann, wenn sie auf die Übertragung relativ hoher Vermögen abzielen. Erbschaftsteuern sind im Allgemeinen mit geringeren Effizienzeinbußen verbunden als andere Steuern für Wohlhabende und lassen sich leichter bemessen und erheben als alternative Formen der Vermögensbesteuerung.

 

Gegenwärtig erheben 24 OECD-Länder Erbschaft- oder Nachlasssteuern. Die Einnahmen daraus sind in der Regel jedoch sehr gering. Heute machen Erbschaft-, Nachlass- und Schenkungssteuern im Durchschnitt der Länder lediglich 0,5 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus. In Deutschland sind es 0,52 Prozent, in der Schweiz 0,6 Prozent. Österreich hat die Erbschaftsteuer abgeschafft.

 

Die geringen Einnahmen aus diesen Steuern gehen der Studie zufolge vor allem auf die großzügigen Steuerbefreiungen und andere Erleichterungen zurück. Steuerentlastungen sorgen jedoch nicht nur für geringere Einnahmen, sie kommen auch in erster Linie den wohlhabendsten Haushalten zugute. Dadurch wird die Progressivität der Erbschaft- und Nachlasssteuern effektiv verringert.

 

Dank hoher Freibeträge können Einzelpersonen oftmals beträchtliche Vermögen steuerfrei an ihre nahen Verwandten übertragen. Auch für den Transfer bestimmter Vermögenswerte gibt es häufig Steuervergünstigungen (z. B. Hauptwohnung, Betriebsvermögen sowohl von Unternehmen als auch von landwirtschaftlichen Betrieben, Rentenkapital und Lebensversicherungsverträge). In einer Reihe von Ländern können Erbschaft- und Nachlasssteuern zudem durch Schenkungen weitgehend vermieden werden, da diese steuerlich günstiger behandelt werden.

 

Durch solche Vorschriften sinkt die Zahl der steuerpflichtigen Vermögenstransfers teils erheblich. Unter den acht Ländern, für die Daten vorliegen, war der Anteil der steuerpflichtigen Nachlässe mit 0,2 Prozent in den USA und 3,9 Prozent im Vereinigten Königreich besonders niedrig. Am höchsten war er in Belgien (48 Prozent) (Hauptstadtregion Brüssel) und der Schweiz (12,7 Prozent) (Kanton Zürich). In Deutschland liegt er bei 10,1 Prozent.  

 

 

„Zwar erheben die meisten OECD-Länder Erbschaft- und Nachlasssteuern, aufgrund ihrer Gestaltung bleiben sie bei der Erzielung von Einnahmen und dem Abbau von Ungleichheiten aber unter ihrem Potenzial“, so Pascal Saint-Amans, Leiter des OECD-Zentrums für Steuerpolitik und -Verwaltung. „Es gibt gute Gründe dafür, verstärkt auf Erbschaftsteuern zu setzen. Sie müssen aber klüger gestaltet werden, wenn sie ihre Zwecke erfüllen sollen.“

 

Die Studie hebt hervor, dass Erbschaftsteuern in den untersuchten Ländern sehr unterschiedlich gestaltet sind. Das Vermögen, das Eltern steuerfrei auf ihre Kinder übertragen können, reicht von knapp 17 000 US-Dollar in Belgien (Hauptstadtregion Brüssel) bis zu über 11 Mio. US-Dollar in den Vereinigten Staaten. In Deutschland sind es knapp 457 000 US-Dollar. Während die meisten Länder progressive Steuertarife anwenden, erhebt ein Drittel der Länder Pauschaltarife, und die Höhe der Steuersätze variiert erheblich.

 

Die Studie schlägt eine Reihe von Reformoptionen vor, um Einnahmepotenzial, Effizienz und Gerechtigkeit von Erbschaft-, Nachlass- und Schenkungssteuern zu erhöhen. Zugleich verweist sie darauf, dass Reformen zu den jeweiligen Gegebenheiten der Länder passen müssen.

 

Laut Studie gibt es aus Gerechtigkeitserwägungen heraus gute Argumente für die Erhebung einer Erbschaftsteuer auf der Grundlage des Werts der von den Erben erworbenen Vermögenswerte, wobei geringe Erbschaften von der Steuer befreit werden sollten. Schenkungen und Erbschaften bei den Empfängern zu besteuern, und zwar über ihr gesamtes Leben hinweg, wäre besonders gerecht und würde weniger Gelegenheiten für Steuervermeidung bieten. Allerdings könnten dadurch die Verwaltungskosten und der Erfüllungsaufwand steigen.

 

Als weitere politische Prioritäten nennt die Studie die Kürzung regressiver Steuererleichterungen, die bessere Angleichung der steuerlichen Behandlung von Schenkungen und Erbschaften und die Verhinderung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung.

 

Damit entsprechende Steuern von der Öffentlichkeit akzeptiert werden, ist es wichtig, über bestehende Ungleichheiten und über die Funktionsweise von Erbschaft- und Nachlasssteuern zu informieren. Diese werden häufig nicht oder falsch verstanden.  

 

„Die Besteuerung von Erbschaften ist aber kein Allheilmittel“, so Saint-Amans. „Entscheidend sind auch andere Reformen, vor allem im Zusammenhang mit der Besteuerung von Kapitalerträgen und Veräußerungsgewinnen natürlicher Personen, um zu gewährleisten, dass die Steuersysteme die Ungleichheit reduzieren helfen. Die OECD bleibt auf diesem Gebiet aktiv, insbesondere, weil die Fortschritte, die in Bezug auf die internationale steuerliche Transparenz und den Informationsaustausch erzielt wurden, den Ländern eine einmalige Gelegenheit bieten, die Besteuerung von Kapitalerträgen natürlicher Personen auf den Prüfstand zu stellen.“

 

Die vollständige Studie finden Sie auf unserer Website unter https://www.oecd.org/fr/fiscalite/inheritance-taxation-in-oecd-countries-e2879a7d-en.htm

 

 

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