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Missbrauch opiatähnlicher Schmerzmittel nimmt auch in Europa deutlich zu

 

(Berlin/Paris, 16.05.2019) - Während in den USA und Kanada der Missbrauch opiatähnlicher Schmerzmittel zum Teil dramatische Ausmaße angenommen hat, sterben auch in einigen Staaten Europas immer mehr Menschen am Missbrauch von Opioiden. Dies zeigt eine aktuelle OECD-Studie, die heute veröffentlicht wurde. Die Studie empfiehlt den Staaten, entschieden gegen diese Entwicklung vorzugehen.

Addressing Problematic Opioid Use in OECD Countries“ zeigt, wie die Krise in den letzten Jahren Familien und ganze Gemeinden, insbesondere in Nordamerika, zerstört hat. Doch auch in Schweden, Norwegen, Irland und in England und Wales ist die Zahl der Todesfälle stark gestiegen. Ursache sind eine oft sorglose ärztliche Verschreibungspraxis und ein wachsender illegaler Handel mit Opioiden.

Zwischen 2011 und 2016 haben die Opioid-bedingten Todesfälle in den 25 OECD-Ländern, für die Daten vorliegen, um mehr als 20 Prozent zugenommen. In Kanada beispielsweise gab es zwischen Januar 2016 und September 2018 mehr als 10 000 Todesfälle durch Opioide, wobei die Rate in diesem Zeitraum von 8,4 pro 100 000 Menschen auf 11,8 anstieg. Der Opioid-Missbrauch hat auch die Gesundheitsdienste durch Krankenhausaufenthalte und Notaufnahmen zunehmend belastet.

In Deutschland sterben zwar bezogen auf die Bevölkerung weniger Menschen an Opioid-Missbrauch als in den meisten anderen OECD-Ländern. Dennoch werden vergleichsweise viele Opioide verschrieben und konsumiert. Deutschland sollte deshalb darauf achten, dass die Balance zwischen angemessenem, schmerzlinderndem Einsatz und dem zu vermeidenden Risiko einer Suchtentwicklung nicht verloren geht.

„Die Opioid-Epidemie trifft die Schwächsten der Gesellschaft am härtesten“, sagte Gabriela Ramos, OECD Chief of Staff und G20 Sherpa, bei der Veröffentlichung des Berichts in Paris. „Regierungen müssen entschlossen handeln, um weitere tragische Todesfälle zu verhindern und die gravierenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und emotionalen Kosten einzudämmen. Wir brauchen bessere Behandlungen und Strukturen. Am effektivsten bleibt aber Prävention.“

In Europa sind drei von vier Toten durch Opioid-Missbrauch Männer. In den USA ist auch der Opioid-Konsum unter Schwangeren gestiegen, insbesondere bei Frauen mit niedrigem Einkommen. Gleichzeitig wurden in den USA auch bei psychischen Problemen deutlich häufiger Opioide verschrieben als in anderen OECD-Ländern.

Eine weitere Risikogruppe sind Gefängnisinsassen. Insgesamt betrifft der Opioid-Missbrauch in Europa durchschnittlich weniger als ein Prozent der Bevölkerung, jedoch etwa 30 Prozent der Inhaftierten. Zu weiteren Risikofaktoren gehören soziale und wirtschaftliche Umstände wie Arbeitslosigkeit oder beengte Wohnverhältnisse.

Ein wesentlicher treibender Faktor hinter der beschriebenen Entwicklung ist, dass Ärzte zu häufig oder in zu großer Menge Opioide zur Schmerzbehandlung verschreiben. Auch hat die Arzneimittelindustrie die gefährlichen Auswirkungen von Opioiden seit den 1990er Jahren systematisch verharmlost. Der Gesetzgeber muss deshalb die Regeln für die Vermarktung von Opioiden ändern, um Menschen vor den schädlichen Wirkungen der Substanzen zu schützen.

Mediziner sollten diese Schmerzmittel nur mit Vorsicht verschreiben. Um die Verschreibungspraxis zu ändern, sind etwa Richtlinien für Kliniken hilfreich, die streng dem Stand der wissenschaftlichen Forschung folgen. Deutschland bietet hier ein gutes Beispiel.

Für die Betroffenen braucht es mehr und bessere Langzeittherapien, etwa medikamentenbasierte Substitutionstherapien mit Methadon oder Buprenorphin. Gleichzeitig ist eine bessere Koordinierung verschiedener Bereiche des Gesundheitssystems erforderlich, damit Arzneimittelmissbrauch in Verbindung mit bestimmten Krankheitsbildern frühzeitig entdeckt und behandelt wird.

Nur durch eine Kombination entsprechender juristischer und gesundheitspolitischer Maßnahmen mit Maßnahmen, die die sozialen Risikofaktoren in den Blick nehmen, kann verhindert werden, dass Opioid-Überkonsum ein massenhaftes Phänomen bleibt, wie in einigen OECD-Staaten der Fall, oder sich zu einem solchen Phänomen entwickelt.

 

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