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Arbeitswelt profitiert von stärkerer Tarifpartnerschaft und Mitsprache

 

(Paris/Berlin, 18. November 2019) – Tarifbeziehungen und Arbeitnehmermitsprache haben großen Einfluss auf den Arbeitsmarkt und die Beschäftigungsqualität. Angesichts einer sich wandelnden Arbeitswelt mit immer neuen Beschäftigungsformen und Geschäftsmodellen sollten die OECD-Länder die Rolle von Tarifpart­nerschaft und Mitsprache wieder stärken und dafür sorgen, dass alle Menschen unabhängig von der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses davon profitieren. Dies ist ein zentrales Ergebnis einer neuen OECD-Studie.

Die Studie „Gemeinsam zum Erfolg: Tarifverhandlungen und Mitsprache in einer Arbeitswelt im Wandel“ zeigt, dass OECD-weit ein immer kleinerer Teil der Arbeitnehmerschaft gewerkschaftlich organisiert ist: Waren es 1975 noch 33 Prozent­, sind es heute (2018) nur noch 16 Prozent. Ganz ähnlich sind die Zahlen für Deutschland (vormals 34,6 Prozent, nun 16,5 Prozent). Menschen, die in atypischen Beschäftigungs­verhältnissen oder als Solo-Selbstständige arbeiten, sind in den meisten OECD-Ländern deutlich seltener gewerk­schaftlich organisiert.

Atypisch Beschaeftigte sind seltener gewerkschaftlich organisiert.
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Auch arbeiten immer weniger Menschen in Arbeitsverhältnissen mit Tarifbindung: OECD-weit waren es 2017 noch 32 Prozent gegenüber 46 Prozent im Jahr 1985. In Deutschland sank ihr Anteil im gleichen Zeitraum von 85 Prozent auf 56 Prozent. Allerdings orientieren sich in Deutschland, wie in anderen Ländern auch, einige Unternehmen freiwillig an branchenüblichen Tarifverträgen. Im Dienstleistungssektor sind Unter­nehmen seltener Mitglied in einer Arbeitgeberorganisation und Beschäf­tigte seltener Gewerkschaftsmitglieder.

Nur wenige andere OECD-Länder haben eine betriebliche Mitbestimmung mit gesetzlich garan­tierten Rechten wie Deutsch­land. Die OECD verweist darauf, dass es für gute Arbeitsbedingungen besonders förderlich ist, wenn die formale Beteiligung der Beschäftigten durch direkten und vertrauensvollen Austausch mit Vorgesetzten und Arbeitgebern ergänzt wird.

„Die Welt der Arbeit wandelt sich. Tarifpartnerschaft und Arbeitnehmermitsprache können Unternehmen wie auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern helfen, auf die demographischen und technologischen Herausforderungen der Zukunft zu reagieren. Voraussetzung ist, dass zwischen den Sozialpartnern Vertrauen herrscht und sie gemeinsam auf ein ausgewogenes Verhältnis von Teilhabe und Flexibilität zielen“, sagte Stefano Scarpetta, OECD-Direktor für Beschäftigung, Arbeit und Soziales.

Entsprechend wichtig ist es der Studie zufolge, dass zwischen den Verhandlungspartnern etablierte Koordinierungsmechanismen bestehen. Sie helfen etwa bei Lohnverhandlungen, die Konjunkturlage und mögliche Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen. Eine solche Koordinierung ist in Österreich, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Schweden stark ausgeprägt, branchenabhängig auch in Deutschland und Japan.

Mit Blick auf die Zukunft sollten die OECD-Länder sicherstellen, dass Tarifpartnerschaft und Mitsprache bestmöglich genutzt werden – beispielsweise indem auch arbeit­nehmerähnliche Erwerbstätige in neuen Geschäftsmodellen Zugang zu Tarifverhandlungen erhalten. Außerdem ist es wichtig, Arbeitskräfte korrekt einzustufen und Scheinselbstständigkeit zu vermeiden. Gegebenenfalls gilt es, rechtliche Bestimmungen anzupassen, wenn sich neue Beschäftigungsformen in der Grauzone zwischen abhängiger und selbständiger Beschäftigung entwickeln.

„Der Bericht der OECD ist für uns Bestätigung und Ansporn zugleich“, so Björn Böhning, Staatsekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales bei der Vorstellung der Studie in Berlin. „Er bekräftigt in vielen Punkten, wie sehr die deutsche Tarifpartnerschaft unter Druck steht und wie groß entsprechend der politische Handlungsbedarf ist. Umso mehr ist er Ansporn für uns, konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Tarifpartnerschaft zügig anzugehen. Mit Vorschlägen zur Stärkung der Tarifbindung und zum Ausbau der betrieblichen Mitbestimmung will das BMAS dazu beitragen, den Stellenwert der Sozialpartnerschaft wieder zu erhöhen. Auch in der zukünftigen, sich wandelnden Arbeitswelt, z.B. in der Plattformökonomie, muss gelten: Wir wollen faire Wett­bewerbsbedingungen, gute Arbeit und soziale Sicherheit für alle“.

Besonders positiv scheint es sich auf Beschäftigung, Produktivität und Löhne auszuwirken, wenn die Tarifpartner allgemeine Bedingungen auf Branchenebene vereinbaren, Details aber auf betrieblicher Ebene beschließen und dabei die besonderen betrieblichen Bedingungen berücksichtigen. Üblich ist dies außer in Deutschland beispielsweise auch in Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Schweden.

 

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