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Arbeitsplätze müssen im Zentrum des Aufschwungs stehen

 

(Paris/Berlin, 7. Juli 2021) – Der kräftige Konjunkturaufschwung im OECD-Raum hat sich noch nicht vollständig auf dem Arbeitsmarkt niedergeschlagen. Wie der OECD-Beschäftigungsausblick 2021 zeigt, liegt die Beschäftigungsquote trotz der neu entstandenen Arbeitsplätze in den meisten Mitgliedsländern noch nicht wieder auf dem Niveau der Vorkrisenzeit.

 

Dem OECD Employment Outlook 2021 zufolge hat die Krise 2020 im Vergleich zum Vorjahr in OECD-Ländern rund 22 Millionen Arbeitsplätze gekostet. Weltweit summieren sich die Arbeitsplatzverluste auf 114 Millionen. Trotz der partiellen Erholung sind im OECD-Raum noch über acht Millionen Menschen mehr arbeitslos als vor der Krise. Die Zahl derer, die nicht aktiv nach einem Arbeitsplatz suchen und sich somit freiwillig oder unfreiwillig aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, liegt jetzt um mehr als 14 Millionen höher. Laut Studie wird die Beschäftigungsquote (i. e. der Anteil der Beschäftigten an der Bevölkerung im Erwerbsalter) auch Ende 2022 noch unter dem Vorkrisenniveau liegen.

 

Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden ist vor allem im Niedriglohnsektor eingebrochen: Sie fiel hier im OECD-Schnitt um mehr als 28 Prozent und damit 18 Prozentpunkte stärker als bei hochentlohnten Beschäftigungen. Auch die Zahl junger Menschen, die sich weder in Beschäftigung noch in Bildungs- oder Ausbildungsprogrammen befinden, hat zugenommen – um fast drei Millionen. Damit kehrt sich der Trend der letzten zehn Jahre um. Die Quote der sogenannten NEET (not in employment, education or training) lag Ende 2020 unter den 15- bis 29-Jährigen bei zwölf Prozent. Das ist ein ganzer Prozentpunkt mehr als im Vorjahr.

 

Die OECD-weite Arbeitslosenquote ist im Mai 2021 gegenüber dem Vormonat geringfügig von 6,7 Prozent auf 6,6 Prozent zurückgegangen. Damit liegt sie noch 1,3 Prozentpunkte höher als vor der Pandemie im Februar 2020. Das bedeutet, dass im OECD-Raum im Mai 2021 43,5 Millionen Menschen arbeitslos waren – 8,1 Millionen mehr als im Februar 2020. Die Jugendarbeitslosigkeit war im OECD-Raum im Mai 2021 mit 13,6 Prozent noch 2,2 Prozentpunkte höher als vor der Pandemie.

 

Wie stark die Wirtschaft eingebrochen ist und wie schnell sie sich wieder erholt, ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. In einigen Ländern, z. B. in Costa Rica und Kolumbien, lag die Arbeitslosenquote im Mai 2021 noch mehr als vier Prozentpunkte über dem Niveau vom Februar 2020. In anderen Ländern, wie Australien und Frankreich, ist sie demgegenüber kaum noch erhöht.  

 

„Es kommt nun sehr auf die richtigen politischen Weichenstellungen an, damit Anreize für Unternehmensinvestitionen und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Und es gilt, Arbeitskräfte weiterzuqualifizieren, ihnen Umschulungen anzubieten und Job-Matching zu fördern. So erhält jeder Einzelne die bestmögliche Chance, am Aufschwung teilzuhaben“, erklärte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann bei der Vorstellung des Berichts in Paris.

 

„Die Regierungen sollten bei ihren Konjunkturprogrammen insbesondere die bedürftigen Familien im Blick haben und weiter unterstützen. Außerdem sollten sie wachstumsfördernde fiskalpolitische Maßnahmen gezielter auf jene Unternehmen und Arbeitsplätze ausrichten, die unter den neuen Gegebenheiten nach der Pandemie langfristig tragfähig sind. Mit den richtigen Anreizen für Unternehmensinvestitionen lassen sich die Erholung auf dem Arbeitsmarkt und die Schaffung zusätzlicher neuer Arbeitsplätze unterstützen.“

 

„Werden die Hilfen zu früh zurückgefahren, gefährdet das den Aufschwung. Die kurzfristigen Kosten der fiskalpolitischen Maßnahmen können gesenkt werden, indem man die Unterstützung zielgenauer auf die anfälligsten Branchen, Unternehmen und Haushalte ausrichtet. Wichtig ist, gleichzeitig auch die Gründung neuer Unternehmen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu fördern“, so Cormann.

 

Der Arbeitsmarkt bleibt anfällig für einen möglicherweise raschen Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit. Viele Menschen, die in der ersten Zeit der Pandemie ihren Arbeitsplatz verloren haben, sind weiterhin arbeitslos. Für sie könnte es immer schwieriger werden, sich gegenüber jenen zu behaupten, deren Arbeitsplatz bislang gesichert wurde.

 

Auf dem Höhepunkt der Krise wurden rund 60 Millionen Arbeitsplätze durch Kurzarbeit gestützt - mehr als zehnmal so viele wie während der Finanzkrise. Das hat bis zu 21 Millionen Arbeitsplätze gerettet und dem Anstieg der Arbeitslosigkeit in vielen Ländern Grenzen gesetzt. Bislang deutet nichts darauf hin, dass dies gleichzeitig einen negativen Effekt auf die Schaffung von Beschäftigung gehabt hätte. Nun gilt es, die Unterstützung gezielt auf Branchen auszurichten, die weiterhin von Kontaktbeschränkungen betroffen sind. Andere Maßnahmen sollten so umgestaltet werden, dass sie den Aufschwung fördern – und anschließend auslaufen.

 

Verstärkte Investitionen in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind entscheidend, um Menschen bei der Arbeitsuche zu helfen. Dazu gehört, Fördermaßnahmen auszuweiten, Arbeitsvermittlung und Weiterbildung besser miteinander zu verzahnen und die Unterstützung individueller und dadurch wirksamer zu gestalten.

 

Investitionen in Kompetenzen sind unerlässlich, um Unternehmen, Start-ups und Arbeitskräfte dabei zu unterstützen, den Übergang zu Tätigkeiten und Branchen mit hohem Wachstumspotenzial zu meistern, etwa im Bereich grüner Technologien. Darüber hinaus ist es wichtig, dass eine Kultur des lebenslangen Lernens entsteht und Weiterbildung auf Menschen zugeschnitten wird anstatt auf Arbeitsplätze.

 

Der Aufschwung nach der Krise sollte auch als Chance begriffen werden, alte Lücken im Sozialschutz zu schließen, so die Studie. Die während der Pandemie aufgelegten Soforthilfen für Selbstständige und andere Beschäftige mit geringer sozialer Absicherung sollten daraufhin überprüft werden, ob sie sich in gezieltere, systematischere Maßnahmen umwandeln lassen, die Fairness mit Beschäftigungsanreizen verbinden. Dazu gehört eine neutralere Behandlung unterschiedlicher Beschäftigungsformen, eine bessere Übertragbarkeit von Versicherungsansprüchen und eine stärkere Ausrichtung der Anspruchskriterien an den sich verändernden Bedarf der Betroffenen.

 

Auf www.oecd.org/employment-outlook finden Sie einen Überblick und eine visuelle Aufbereitung der wichtigsten Ergebnisse. Ländernotizen finden Sie unter www.oecd.org/employment-outlook/2021/#country-data

 

Die vollständige Studie ist über unsere iLibrary verfügbar: https://www.oecd-ilibrary.org/employment/oecd-employment-outlook-2021_5a700c4b-en

 

Die OECD ist ein globales Forum, das mit über 100 Ländern zusammenarbeitet. Sie tritt ein für eine Politik, die die individuellen Freiheiten wahrt und das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen der Menschen weltweit fördert.

 

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