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Österreich: OECD-Bericht zur Beschäftigung von Menschen mit psychischen Problemen fordert mehr Einsatz

 

(Wien/Paris, 2. Oktober 2015) - Österreich muss mehr tun, um Menschen mit psychischen Problemen zu helfen, Arbeit zu finden, im Job zu bleiben oder in den Beruf zurückzukehren. Wie aus dem OECD-Bericht “Publikationen” hervorgeht, würde ein umfassenderer Ansatz Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichermaßen nützen: Psychische Probleme, die sich in verminderter Produktivität sowie höheren Gesundheits- und Sozialkosten niederschlagen, verringern die österreichische Wirtschaftsleistung (BIP) im Jahr um etwa 3,6 Prozent.

Der Analyse zufolge leidet in Österreich jeder dritte Empfänger von Krankengeld, Arbeitslosenleistungen oder Berufsunfähigkeitspensionen unter psychischen Problemen. Zudem sind Menschen mit mentalen Problemen dreimal so häufig arbeitslos wie der Durchschnitt – besonders oft trifft es Ältere. Der Zusammenhang zwischen Alter, Gesundheit und Arbeit legt nahe, dass psychische Erkrankungen im Land als probates Mittel gesehen werden, vorzeitig aus dem Arbeitsleben auszuscheiden. In den vergangenen zwanzig Jahren entwickelten sich psychische Probleme denn auch zum Hauptgrund für Invaliditätsanträge.

Österreich hat einen robusten Arbeitsmarkt, aber Menschen mit psychischen Problemen melden sich häufig krank und sind oft nur vermindert leistungsfähig. Ein vom Krankenversicherer unterstütztes System des Abwesenheitsmanagements und die Möglichkeit, auf Teilzeitbasis wieder in den Beruf zurückzukehren, könnten  hier helfen. Auch bereits existierende betriebliche Gesundheitsdienste, wie etwa die fit2work-Initiative, könnten eine größere Rolle spielen, wenn es darum geht, psychisch Erkrankte im Job zu halten.

Die jüngste Reform der Invaliditätspension unternimmt einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung – sie versucht, die Menschen im Arbeitsmarkt zu halten oder ihnen die Rückkehr zu erleichtern. Allerdings wird ihr Erfolg maßgeblich davon abhängen, wie stark die verantwortlichen Behörden Menschen, die sich in der Rehabilitation befinden, de facto unterstützen. Ohne entsprechenden Einsatz könnten die neuen Leistungen in eine Sackgasse führen.

Österreich hat hohe Gesundheitsausgaben und verfügt im Allgemeinen über einen sehr guten Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Der mentalen Gesundheit fehlt es nach Einschätzung des Berichts jedoch an Aufmerksamkeit, was sich unter anderem in der Unterfinanzierung von psychotherapeutischen Maßnahmen äußert. Nur wenige Menschen werden mit dem Ziel behandelt, sie wieder in den Beruf einzugliedern, dementsprechend gibt es auch keine Verbindung zwischen Gesundheits- und Arbeitsämtern. Andere Länder experimentieren bereits erfolgreich mit einer solchen Kooperation.

Auch im Bildungswesen sind Reformen nötig. Trotz hoher Ausgaben gelingt es bisher nicht, jungen Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten oder psychischen Problemen ausreichend zu helfen. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule bräuchte es daher stärkere Unterstützung durch geschulte Kräfte.  Jugend- und Ausbildungscoaching sollten ausgedehnt werden, um die Zielgruppe besser zu erreichen und zu verhindern, dass junge Leute die Schule vor der Matura oder ohne Berufsabschluss verlassen.

Die OECD empfiehlt den österreichischen Behörden:

  • Die 2013 beschlossene Reform der Invaliditätspensionen konsequent für Arbeitnehmer jeden Alters umzusetzen und sie auf die gesamte Erwerbsbevölkerung auszudehnen.

  • Öffentliche Arbeitsvermittlungen personell besser auszustatten und die Mitarbeiter fortzubilden, so dass sie auf Kunden mit psychischen Problemen eingehen können.

  • Leistungen im Krankheitsfall zum Teil eines aktiven Systems zu machen, das eine zügige und – wo nötig – schrittweise Rückkehr in den Arbeitsmarkt fördert.

  • Die fit2work-Initiative auszubauen und für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen zugänglich zu gestalten.

  • Mittel im Gesundheitswesen umzuschichten, um den Bedürfnissen von psychisch Erkrankten besser Rechnung zu tragen. Großer Bedarf besteht vor allem bei ambulanten Therapien, der psychologischen Erstversorgung durch Allgemeinmediziner, der Kinderpsychiatrie und allgemein im ländlichen Raum.

  • Mittel aus dem Bildungsbereich zur Verfügung zu stellen, um Lehrer und Schüler im Problemfall durch geschultes Personal zu unterstützen.

 

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