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OECD-Beschäftigungsausblick 2020: Was Länder tun sollten, damit die Beschäftigungskrise nicht zur Sozialkrise wird

 

(Berlin/Paris, 7. Juli 2020) – Die Corona-Pandemie entwickelt sich zu einer Beschäftigungskrise, die weit schlimmer ist als die Krise von 2008. Am härtesten trifft es Frauen, junge Menschen und Geringverdiener, so eine aktuelle OECD-Studie.

 

Die Arbeitslosenquote ist im Mai 2020 im OECD-Raum auf 8,4 Prozent gesunken, nachdem sie im April um beispiellose 3,0 Prozentpunkte auf 8,5 Prozent gestiegen war – und damit auf den höchsten Wert der letzten zehn Jahre. Im Februar 2020 hatte sie noch bei 5,2 Prozent gelegen. Im Mai waren OECD-weit 54,5 Millionen Menschen arbeitslos. Die geringe Veränderung zwischen April und Mai ist die Folge gegenläufiger Trends: In den Vereinigten Staaten verloren zwar viele Menschen ihren Job, im Zuge der gelockerten Corona-Maßnahmen kehrten aber auch zahlreiche freigestellte Arbeitskräfte an ihren Arbeitsplatz zurück. In vielen anderen Ländern nimmt die Arbeitslosigkeit hingegen zu oder droht sich zu verfestigen.

 

Der OECD-Beschäftigungsausblick 2020 geht davon aus, dass selbst im Falle der günstigsten Entwicklung die OECD-weite Arbeitslosenquote im vierten Quartal 2020 9,4 Prozent erreichen könnte – den höchsten Wert seit der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre. Die Beschäftigung dürfte 2020 im Durchschnitt 4,1 bis 5 Prozent niedriger sein als 2019. Auch Ende 2021 wird die Beschäftigungsquote wohl noch unter Vorkrisenniveau liegen.

 


Die Politik hat gleich zu Beginn der Krise Konjunkturpakete in beispiellosem Umfang aufgelegt. Eine besonders große Rolle spielten dabei arbeitsplatzerhaltende Maßnahmen wie die Ausweitung der Kurz­arbeits­regelungen. Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden brach ein: In den OECD-Ländern, für die entsprechende Daten vorliegen, sank sie in den ersten drei Monaten der aktuellen Krise zehnmal stärker als in den ersten drei Monaten der globalen Finanzkrise von 2008.

 

Vor einem OECD-Sondertreffen zu inklusions- und beschäftigungspolitischen Maßnahmen zur Förderung der Erholung, bei der Spaniens Minister für Inklusion, soziale Sicherheit und Migration José Luis Escrivá den Vorsitz führte, erklärte OECD-Generalsekretär Angel Gurría: „Die Länder müssen nun auf den mutigen Maßnahmen aufbauen, die sie gleich zu Beginn der COVID-19-Krise ergriffen haben, und alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass aus der Beschäftigungskrise eine massive Sozialkrise wird. Die makroökonomische Politik muss für die Dauer der Krise konjunkturstützend ausgerichtet bleiben, um das Risiko eines langen Konjunktureinbruchs zu minimieren und zu verhindern, dass eine verlorene Generation junger Menschen entsteht, deren Arbeitsmarkt­chancen auf Dauer beeinträchtigt sind. Investitionen in einen besseren, krisen­festeren Arbeitsmarkt sind Investitionen in die Zukunft und in kommende Generationen.“

 

Geringverdiener zahlen in dieser Krise den höchsten Preis: Während die oberen Einkommensschichten zu Lockdown-Zeiten mit 50 Prozent größerer Wahrscheinlichkeit von zu Hause aus arbeiten konnten als Geringverdiener, mussten Geringverdiener doppelt so häufig ihre Arbeit ganz aufgeben.  

 

Frauen trifft es härter als Männer: Viele von ihnen arbeiten in den am stärksten betroffenen Branchen, ein überproportional hoher Anteil zudem in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Selbstständige, befristet Beschäftigte und Teilzeitkräfte sind besonders von Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten betroffen. Und auf junge Schul- und Studienabgänger kommt eine schwierige Arbeitsplatzsuche zu. Ihr Verdienstpotenzial könnte langfristig leiden.

 

Der Beschäftigungsausblick enthält eine Reihe von Empfehlungen, die den Ländern helfen sollen, Menschen und Unternehmen in der Krise zu unterstützen und die langfristigen Schäden gering zu halten.

 

Auf kurze Sicht ist es unerlässlich, weiterhin die Branchen zu unterstützen, die noch unter Beschränkungen zu leiden haben, damit Arbeitsplätze und Lebensstandard gesichert werden. Wichtig ist dabei, die Hilfen gezielt denen zukommen zu lassen, die sie am dringendsten benötigen. Wo möglich, sollte mit verstärkten Anreizen dafür gesorgt werden, dass Beschäftigte sicher an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Unternehmen, die neue Arbeitskräfte einstellen, sollten unterstützt werden. Das ist entscheidend, um negative Langzeitfolgen andauernder Arbeitslosigkeit und Nicht­erwerbstätigkeit zu verhindern. Unternehmen, vor allem Kleinunternehmen, benötigen Unter­stützung bei der Umsetzung von Gesundheits- und Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz.

 

Für viele Menschen wird es schwierig bleiben, rasch den Weg in eine neue Beschäftigung zu finden. Für manche Länder ist es deshalb ratsam, die Dauer des Arbeitslosengeldbezugs auszudehnen, damit Arbeitssuchende nicht zu schnell in die Sozialhilfe abrutschen. Auch die Nothilfen für Selbstständige sollten geprüft werden, um sicherzustellen, dass sie zielgerichtet sind, Anreize setzen und Fairness gewähr­leisten.

 

Auf mittlere Sicht sollten die Länder strukturelle Lücken in der sozialen Sicherung angehen, die in der Krise offenbar wurden. Dabei gilt es, ausreichende Entgeltersatzleistungen für alle Arbeitskräfte zu gewährleisten, auch für Selbstständige, Teilzeitkräfte und sonstige atypisch Beschäftigte. Die Unternehmen sollten sich derweil des Vertrauens würdig erweisen, das die Regierungen in der akuten Phase der Corona-Krise in sie gesetzt haben, indem sie die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soweit wie möglich erhalten und in ihre Weiterbildung investieren. Damit alle an der Erholung teilhaben können, sollten die Länder die berufliche Bildung ausbauen und die Arbeitsmärkte krisenfester machen, indem sie verstärkt auf sozialen Dialog und die Sozialpartnerschaft setzen.


 

Bei Fragen stehen wir gerne zur Verfügung. 

 

Pressekontakt:

OECD Berlin Centre

Nadja Nolting

Berlin.Centre@oecd.org

Tel: +49 (0)30  28 88 35 43

 

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