Share

Health at a Glance: Europe 2020 Europa muss das Ende der strengen Krisenmaßnahmen besser vorbereiten

 

(Berlin/Paris, 19. November 2020) – Mit Blick auf die derzeit rasche Ausbreitung des COVID-19-Virus waren viele Länder gezwungen, ihre Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu verschärfen. In dieser Situation kommt es entscheidend darauf an, dass die Regierungen eine effektive Strategie für eine zukünftige Lockerung der Maßnahmen erarbeiten, um weitere Lockdowns zu vermeiden. Zu einer solchen Strategie gehören deutlich effektivere Maßnahmen zur Durchführung von Tests, zur Kontaktnachverfolgung und zur Isolierung der Betroffenen sowie in Bezug auf die soziale Distanzierung. Diese Maßnahmen müssen für die Menschen leicht begreifbar und umsetzbar sein. Dies ist das Ergebnis einer neuen OECD-Studie.

Die Studie Health at a Glance: Europe 2020 zeigt anhand erster Vergleichsdaten, wie sich die Pandemie bislang auf die europäischen Länder ausgewirkt und welche politischen Reaktionen sie ausgelöst hat. Europa ist erneut zu einem Corona-Hotspot geworden. Stand 15. November 2020 haben sich hier über zehn Millionen Menschen infiziert und mehr als 265 000 Menschen sind an COVID-19 gestorben. Die Zahlen steigen schnell. Wie die Studiendaten zeigen, wird die Ausbreitung des Virus maßgeblich gebremst, wenn man große Versammlungen verbietet, die Menschen zur Arbeit im Home-Office ermutigt, Schutzmasken in der Öffentlichkeit vorschreibt, ihre Nutzung auch bei privaten Treffen mit Angehörigen von Risikogruppen empfiehlt und die Kapazitäten von Restaurants, Geschäften und anderen geschlossenen öffentlichen Räumen stark beschränkt.

„Die jüngsten Erfolgsmeldungen aus der Impfstoffentwicklung sind ermutigend, aber die Bewältigung dieser Pandemie ist ein Marathon, kein Sprint“, so OECD-Generalsekretär Angel Gurría. „Internationale Zusammenarbeit ist entscheidend, um die Massenproduktion und eine breite Verteilung des Impfstoffs zu gewährleisten. Gleichzeitig braucht es mehr Unterstützung der Länder für ihren Gesundheitssektor und ihr Gesundheitspersonal. Umfang und Effektivität von Tests, Kontaktnachverfolgung und Isolierungsmaßnahmen müssen erhöht werden.“

Einigen europäischen Ländern wie Norwegen und Finnland ist es besser als anderen gelungen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Das liegt zum Teil an geographischen Faktoren (z. B. einer geringeren Bevölkerungsdichte), aber auch daran, dass man hier besser vorbereitet war und eine schnelle und effektive Strategie für Tests und Kontaktnachverfolgung umgesetzt hat. Auch das größere Vertrauen der Bürger*innen in die staatlichen Regeln und Empfehlungen und deren strikteres Einhalten haben eine Rolle gespielt. Außerhalb Europas sind die vier OECD-Länder im Asien-Pazifik-Raum Korea, Japan, Australien und Neuseeland Beispiele für eine erfolgreiche Eindämmung der Corona-Pandemie. Auch bei ihnen ist der Erfolg teils auf geographische Merkmale zurückzuführen, teils auf schnelle und effektive Maßnahmen zur Durchführung von Tests, zur Kontaktnachverfolgung und zur Isolierung Betroffener. Gleichermaßen zeigte sich hier, wie hilfreich es ist, wenn die Menschen in die Leitlinien vertrauen und sie einhalten.

Effektiveres Testen, effektivere Kontaktnachverfolgung und effektivere Isolierung Infizierter sind jetzt entscheidend. Viele Länder haben allerdings noch immer Schwierigkeiten, Testergebnisse zeitnah an die Betroffenen zu übermitteln. Auch erweisen sich die Apps zur Kontaktnachverfolgung in einigen Ländern nur begrenzt als nützlich. Für eine wirksame Kontaktnachverfolgung und Isolierung infizierter Menschen braucht es größere logistische Anstrengungen als bisher.

Während der ersten Pandemiewelle fielen 90 Prozent der Todesfälle in die Gruppe der über 60-Jährigen. Besonders häufig waren Bewohner*innen von Pflegeheimen betroffen. In vielen Ländern Europas kam jeder zweite Todesfall – mancherorts noch mehr – aus dieser Bevölkerungsgruppe. Zwar hat man inzwischen die Maßnahmen zur Isolierung bestätigter Fälle in Pflegeheimen verbessert, jedoch bleibt es eine Herausforderung, Pflegeheimbewohner*innen mit bestimmten Erkrankungen, beispielsweise neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer und anderen Formen der Demenz, zu isolieren, ohne sie psychisch zusätzlich zu belasten.

Darüber hinaus wirft die Pandemie ein Schlaglicht auf die in vielen Ländern schon vor der Krise problematischen Engpässe beim gesundheitlichen Fachpersonal. Das unterstreicht, wie wichtig es ist, Reservekapazitäten aufzubauen, die im Krisenfall schnell einsatzbereit sind.

Viele Menschen ohne COVID-19, aber mit chronischen und anderen Erkrankungen, mussten während des ersten Höhepunkts der Pandemie im Frühjahr auf wichtige Gesundheitsleistungen verzichten. Die medizinische Grund- und Facharztversorgung für alle Versorgungsbedarfe muss aufrechterhalten werden. Nur so können durch die Pandemie indirekt verursachte Todesfälle verhindert werden.

Schon vor der Pandemie stieg in vielen europäischen Ländern die Nachfrage nach Operationen schneller als das Angebot. Weil viele planbare Operationen sowie Krebsuntersuchungen und
-therapien während der Pandemie aufgeschoben wurden, dürften sich die Wartezeiten jetzt weiter verlängern.

© OECD - Graph: COVID-19 cases rising sharply in Europe

Die Studie richtet den Blick außerdem auf andere derzeit wichtige Risikofaktoren, die es anzugehen gilt – allen voran die Luftverschmutzung, die in den EU-Ländern jährlich Hunderttausende Menschenleben fordert.

Health at a Glance: Europe 2020 ist das Ergebnis der engen Zusammenarbeit zwischen OECD und Europäischer Kommission mit dem Ziel, die länderspezifischen und EU-weiten Erkenntnisse im Gesundheitswesen zu verbessern. Dies erfolgt im Rahmen des Zyklus Gesundheitszustand in der EU der Europäischen Kommission.

Die vollständige Studie finden Sie auf unserer Website unter https://www.oecd-ilibrary.org/social-issues-migration-health/health-at-a-glance-europe-2020_82129230-en

 

Related Documents